Robby lebt in Baden-Württemberg, ich in Hessen. Seit geraumer Zeit gehen wir. Jede*r für sich. Robby pilgert und spaziert. Ich versuche täglich eine Runde zu gehen. Dabei sind mir Sachen aufgefallen, die sich bewegen. Die habe ich hier und da mit meiner Kamera eingefangen und auf Instagram gesammelt.
Beim Playing Arts-Symposion 2019 haben Robby und ich beschlossen, ab und zu zusammen zu gehen – gleichzeitig, je an unseren Orten. Wir verabredeten uns und erfanden Spielregeln. Daraus entwickelten sich kleine hybride Zusammenspiele. Einige Spuren davon sammelten wir auf einer gemeinsamen Online-Pinnwand zusammen mit Kunstimpulsen die wir rund ums Thema Gehen fanden.
Versuch No. 1: Zusammen gehen per Facetime
Ein lauer Sommerabend. Wir treffen uns mit unseren iPhones auf Facetime (Videotelefonie). Robby geht seine Lieblingsrunde, die an Feldern vorbeiführt. Ich stapfe meinen Hausberg hoch in den Wald. Ziemlich bald beginne ich Screenshots zu machen. Wir halten die Kameras in die Gegend, zeigen uns unsere Wege. Ein Pilgerzeichen auf meiner Seite. Blauer Himmel mit Wölkchen bei Robby. Klick. Ein Huhn thront auf einem Anhänger auf Robbys Seite, derweil stehe ich vor einem Kran. Klick. „Halt mal!“ rufe ich, da ist so ein gelber Kreis auf Robbys Weg. Ich merke, dass ich mein eigenes Bild verschieben kann. Nun stehe ich virtuell mit meinen Füßen neben Robbys Füßen. Klick.
An meiner Weggabelung hat jemand Steine gestapelt. Wenige Minuten später hält auch Robby an einem solchen Steingebilde. Klick! Mein Serendipity – Moment des Abends, ein glücklicher völlig ungeahnter, ungeplanter Zufall. Wir sind ins Spielen geraten.
Nach genau der vereinbarten Stunde geht Robby der Strom aus und mir der Empfang.
Versuch No. 2: Richtung angeben + Farbcode
Diesmal bin ich in meinem Ort unterwegs, Robby sitzt zu Hause am Rechner. Wir telefonieren, ich fotografiere und schicke die Fotos sofort per WhatsApp an Robby. Robby zieht sie auf den Rechner und erstellt eine Collage. Zwei Spielregeln entstehen ad hoc: An jeder Weggabelung bestimmt Robby, ob ich rechts, links oder geradeaus gehe. Und ich suche nach blau/roten Motiven. Plötzlich sehe ich meine gewohnte Runde mit anderen Augen. Der Serendipity-Moment diesmal: nachdem ich schon gefühlt zwanzig Fotos geschickt habe kommen mir zwei Männer entgegen, Hosen, Shirts, Schuhe abwechselnd blau-rot.
Außerdem entdeckt: Ich kann Robby per WhatsApp nicht nur meinen Standortschicken, sondern ihm auch ermöglichen, mir auf der Karte life zu folgen!
Ach ja: Robby hat mich im Kreis geschickt…
Versuch No. 3: Du gehst, ich zeichne
Robby läuft durch seinen Ort, wir sind über WhatsApp Videotelefonie verbunden, das läuft stabiler.
Ich sitze im Sommeratelier in Imshausen, habe ein Notizbuch vor mir und den Bleistift gespitzt. Während er mir seine Lieblingsecken zeigt, zeichne ich in Dauerschleife was auch immer ich an Linien erhaschen kann. Das Büchlein füllt sich schnell. Wenn ich es durchblättere ist es wie ein Freestyle Daumenkino. Ich würde gerne noch einen Stopp-Trickfilm daraus machen.
Mir ist erst beim Symposion 2020 überhaupt aufgefallen, dass wir hier im hybriden Spiel also im sowohl-als-auch von analogem und digitalem Tun unterwegs waren. Es hat sich einfach ergeben, dass wir sehr verbunden draußen im Freien und im Gehen spielen konnten. Und das fühlte sich völlig organisch an.
Annegret Zander, Playing Artist