Eine Liebeserklärung an die Playing Arts-Selbstzertifizierung
von Martina Vanicek
Ich habe ein Diplom, mein Auto hat TÜV, mein Tee hat ein Siegel und das Papier, auf dem ich gerade schreibe (oldschool) ist DIN-genormt. Qualität hat in Deutschland einen Stempel.
Vergeben, verliehen, erteilt von einer wie auch immer gearteten Körperschaft öffentlichen Rechts. Geprüft, vermessen, bewertet, in Form gepresst.
Auch bei Playing Arts geht es um Qualität. Und auch bei Playing Arts gibt es ein Zertifikat – auf Wunsch auch mit Stempel -, das mich für ein Jahr lang berechtigt, den Titel »Playing Artist« zu tragen (by the way: Ja, »Playing Arts« ist ein geschützter Begriff!). Doch anders als bei Diplom, TÜV & Co, wo die Bewertung nach von außen festgelegten Kriterien, Rastern, Skalen erfolgt, bin ich als Playing Artistin zertifiziert von MIR und durch MICH, bezeugt von vielen. Playing Arts bietet einen anarchistischen Schonraum im Kampf um den nächsten Schein, der für die Welt offiziell belegt, dass ich wert bin, dass ich kompetent bin und nachweislich etwas kann. Bei der Playing Arts-Selbstzertifizierung müssen meine Ziele und mein Weg dorthin einer Selbstprüfung standhalten. Die Künstlerin Miranda July konstatiert: „Nichts ist brutaler als die Selbstzensur“, dem entsprechend hoch ist der Qualitätsstandart im Playing Arts-Netzwerk. Brillant in eigener Sache!
Die Selbstzertifizierung ist ein Prozess in mehreren Schritten, zu dem alle Teilnehmenden des jährlich stattfindenden Playing Arts-Symposions eingeladen sind. Es geht zunächst um eine ganz persönliche Standortbestimmung, einen Rück- und einen Vorausblick, Reflexion und Vision. Wo hat mich Playing Arts hingeführt? Was ist mein aktuelles Projekt? Was bedeutet Playing Arts heute für mich? Was nehme ich mir für das kommende Jahr vor? Das schriftliche Beantworten der Fragen bietet die Möglichkeit, Gedanken und Ziele zu klären und zu konkretisieren – gar nicht leicht! Unterstützt wird dieser Akt durch das Netzwerk, dem in einem nächsten Schritt die in einer stillen Ecke gemachten Pläne vorgestellt und für wohlmeinendes kritisches Hinterfragen eröffnet werden – 3-4 Personen und eine halbe Stunde Zeit. Dabei geht es neben dem Benennen von individuellen Spielbewegungen und Projektideen zugleich darum, dem Netzwerk eine weitere Definition von Playing Arts hinzuzufügen, da Playing Arts keine starre Methode oder Technik ist, sondern sich wie ein lebendiger Organismus mit jedem*r Playing Artist*in und jedem neuen Projekt kontinuierlich fortentwickelt.
Zum Schluss wird ausgeschwärmt (mein Lieblingsmoment!) und das eigene Vorhaben durch Unterschriften der anderen bezeugt. Dabei sind die Unterschriften auf dem Zertifikat nicht notwendig, um Gültigkeit zu erlangen, vielmehr sind sie eine Bestärkung, ein kraftvolles „Yah!“, ein Rückenwind des Netzwerkes, der mich mit meinen Playing Arts Vorhaben durch das kommende Jahr trägt bis zum nächsten Symposion.
Ich wünschte meine Diplom-Vergabe hätte nur einen Bruchteil dieser Mut machenden, wertschätzenden und für mich persönlich relevanten Kraft erzeugen können.
Selbstzertifizierung for ever!
Resonanzen gerne an Martina Vanicek.
Nachtrag: Natürlich gibt es immer auch Menschen, die mal nicht beim Playing Arts Symposion dabei sein können. Sie können auch an der Selbst-Zertifizierung teilhaben: einfach Vorlage downloaden, ausdrucken, ausfüllen, scannen und bis spätestens eine Wochen vor dem nächsten Symposion per Mail an Martina Vanicek schicken. Beim Symposion finden wir Menschen, die euere Vorhaben bezeugen!